Mein Kind ist hochsensibel. Was tue ich jetzt?

Die meisten Eltern stoßen durch Zufall auf das Thema Hochsensibilität, ein gelesener Zeitungsbericht, ein weitergeleiteter Facebook-Artikel oder eine Suche im Internet spät in der Nacht, um etwas Hilfreiches über das kräftezehrende Verhalten des eigenen Kindes zu finden.

Fühlen sich Eltern durch die Begrifflichkeit „Hochsensibilität“ angesprochen, so stellt sich erst einmal Erleichterung ein. Sie erhalten plötzlich eine wesentlich genauere Beschreibung ihres Kindes. Es eröffnet ihnen zudem neue Wege, das Kind besser zu verstehen und zu begleiten.

Hochsensibilität ist ein neutraler Wesenszug

Eine nähere Beschäftigung mit dem Thema zeigt ihnen sehr rasch: Hochsensible Kinder sind nicht absichtlich schwierig! Hochsensible Kinder zeigen lediglich ganz deutlich, was sie brauchen. Sie fordern in stärkerem Maße eine emotionale Zuwendung ein. Sie reagieren intensiv und verletzt auf Schimpfen & Strafen, die Vorhaltungen der Eltern sind daher unangebracht.

Hochsensible Kinder wollen von sich aus alles besonders gut machen und plagen sich daher mit ihren eigenen hohen Ansprüchen. Eigene Fehler gehen ihnen oft lange nach und sie kritisieren sich dafür selbst.

Es folgt daher die ungeduldige Frage der Eltern: „Unser Kind ist hochsensibel. Was tun wir jetzt?“

Hochsensibilität ist an sich ein neutraler Wesenszug, nicht positiv und auch nicht negativ. Erst durch die unterschiedlichen Lebenserfahrungen entwickelt es sich in die eine oder andere Richtung. Leider bemerken wir in unserem Alltag oft nur die negativen Aspekte der Hochsensibilität. Die daraus resultierenden Belastungen sind für die einzelnen Familienmitglieder spürbar und anstrengend. So beginnen sich viele Eltern erst dann mit dem Thema Hochsensibilität zu beschäftigen, wenn sie aufgrund des Verhaltens ihres Kindes in großer Sorge sind und nach Antworten suchen.

Hochsensibilität ist eine besondere Art der Wahrnehmung. Durch das intensivere Aufnehmen von äußeren Sinneseindrücken, Gefühlsregungen und Körperempfindungen stellt sich öfter auch das Gefühl von Überwältigung ein.

Das zeigt sich oft bei einer langwierigen & schwierigen Eingewöhnung im Kindergarten oder beim Thema Essen, wo alles zunehmend komplizierter wird, Zähneputzen und Haare waschen entwickelt sich zum großen Drama und unberechenbare Wutanfälle beherrschen den Alltag…

Die Eltern möchten den Teufelskreis, in den sie hineingeraten sind, unbedingt durchbrechen. Sie sehen, dass ihr Kind leidet und finden dennoch keinen Weg aus dieser Misere. Sie bemühen sich mit all ihren Kräften, dass sich ihr Kind nach ihren Vorstellungen verhält. Das Kind benimmt sich aber nicht so, wie sie es wollen. Das häufige Quengeln ihres Kindes vermittelt ihnen das Gefühl, inkompetent zu sein. Sie werden von Schuldgefühlen geplagt und sehen sich als Opfer ihrer Kinder. Sie fühlen sich gefangen und vereinnahmt.

Kompetente Erziehung ist essentiell

Die elterliche Erziehung entscheidet also, ob der Ausdruck von Sensibilität einen Vorteil oder eine Quelle der Angst darstellt. Eine kompetente Erziehung ist für ein hochsensibles Kind wesentlich. Die Kinder brauchen Eltern mit viel Klarheit, die ihre Grenzen respektieren und in der Lage sind, ihnen Sicherheit zu vermitteln, sodass sie an ihren Grenzen wachsen können. Hochsensible Kinder spüren, was echt ist und von den Eltern tatsächlich gelebt wird. Und das ist gleichzeitig der Beginn des Erkennens, dass es für meine familiäre Situation keine allgemeingültigen Methoden gibt. Es ist vielmehr ein Erforschen:

  • Wer bist du? Wie kann ich dich unterstützen?
  • Ich höre dir zu und bin für dich da.
  • Ich traue dir einiges zu.

Durch Verständnis und Klarheit der Eltern, lernt das hochsensible Kind nachsichtig mit sich selbst zu werden. Es ist Aufgabe der Eltern ihm zu helfen, einen objektiven Standpunkt einzunehmen, eine Wertschätzung für sich selbst zu entwickeln.

Sicherheit, Stabilität und Wertschätzung

Was macht es jetzt für einen Unterschied, ob ich über die Hochsensibilität meines Kindes Bescheid weiß oder nicht? Wachsen hochsensible Kinder in einem emotional unterschützenden, fördernden Umfeld auf, dann können sie ihr großes Potenzial ausleben. Sie brauchen dazu viel Sicherheit, Stabilität und Wertschätzung, auch wenn ihre Verhaltensweisen und Äußerungen für die Eltern oft schwer zu verstehen sind. Andernfalls verlernt das Kind auf seine eigene Wahrnehmung zu vertrauen und versucht den Wünschen der anderen zu entsprechen. Es verliert einen Teil seiner authentischen Persönlichkeit durch diese Anpassungsversuche.

Hochsensible Menschen sind ihrer Hochsensibilität nicht hilflos ausgesetzt. Es gilt vielmehr, Strategien zu erarbeiten, die das Leben mit dem inneren Wesenskern in Übereinstimmung bringt.

Das Kind so nehmen wie es ist!

Erkennen die Eltern, weshalb der bisherige Weg nicht funktioniert hat, so werden sie offener für neue Zugänge. Zuerst besteht eine große Verunsicherung, wie sie es schaffen können, die individuellen Bedürfnisse ihres Kindes besser in den Alltag zu integrieren. Doch nach und nach wird es ihnen gelingen, ihrem Kind gegenüber eine respektvolle Grundhaltung einzunehmen. Also, um es mit Worten der amerikanischen Psychologin Elaine N. Aron zu unterstreichen, „mit dem Herzen statt mit dem Verstand zu lauschen!“ Was so einfach klingt, ist eine schwierige Herausforderung für die Eltern: Das Kind so nehmen wie es ist!

Jedes Kind braucht Aufmerksamkeit, Liebe, Zuwendung und Unterstützung. Und doch erlebe ich, dass gerade Eltern von hochsensiblen Kindern hier besonders viel Geduld an den Tag legen müssen.